Pressemitteilung
75 Jahre Grundgesetz Anlass zur Dankbarkeit
Suttner: „Unsere Verfassung ist menschlich, klug und bereit zur Abwehr ihrer Feinde!“
„75 Jahre Grundgesetz – Anlass zu Dankbarkeit und dauerhaftem Engagement“ war der Titel einer ÖDP-Veranstaltung. Referent war der Politologe und ehemalige ÖDP-Landesvorsitzende Bernhard Suttner.
Positiv überrascht vom guten Besuch zeigte sich Vorsitzender Klaus Seufzger bei seiner Begrüßung im vollkommen überfüllten Nebenzimmer der Post. Man wolle daran erinnern, dass es nicht nur irgendein Dokument, sondern die Grundlage unserer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft ist. Man habe allen Grund, unseren Vorfahren dafür zu danken. Mit „sieben Blicken“ auf ein „Meisterwerk der Staatskunst“ feierte Suttner dann rhetorisch 75 Jahre Grundgesetz. Dieses sei für so manchen zur Selbstverständlichkeit geworden. Nichts gerate aber schneller aus dem Blick, als etwas, was gut funktioniere. Ähnlich wie bei der Gesundheit bemerke man es erst, wenn es nicht mehr da sei. Dass die Autoren in der Präambel an die „Verantwortung vor Gott und den Menschen“ erinnern, sei auch heute noch beeindruckend: „Damit wird daran erinnert, dass es um weit mehr geht als um das eigene Interesse eines Volkes oder einer Generation“ meinte Suttner. Das Grundgesetz zeige sich so gleich in den ersten Worten als ein Dokument, das jeglichem überheblichen und egoistischen Machtgehabe eine Absage erteilt. Dann widmete sich der Referent dem Art. 79.3, der -für viele überraschend- die Änderung des Grundgesetzes in bestimmten Bereichen strikt verbietet. Diese sogenannte „Ewigkeitsklausel“ werde zurecht von klugen Pädagogen als Einstiegsformel zum Verständnis des Grundgesetzes herangezogen: „Die Grundaussage von Art. 1 zur Unantastbarkeit der Menschenwürde und die Festlegungen von Art. 20 sind der Änderungskompetenz des Bundestages auf immer entzogen - das ist die Lehre aus der deutschen Geschichte“, stellte Suttner fest. Art. 20 werde so neben Art. 1 zur Grundnorm unseres Staates: „Die föderale Struktur der Bundesrepublik, die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung, die Rechtsstaatlichkeit, die sozialstaatliche Orientierung und die Volkssouveränität war den Schöpfern des Grundgesetzes so wichtig, dass sie diese Grundlagen auf „Ewigkeit“ schützen wollten.“ Natürlich hätten auch die damaligen Besatzungsmächte darauf geachtet, dass Macht in Deutschland niemals mehr an einer Stelle konzentriert werden könne. In einem weiteren Kapitel erläuterte Suttner den Begriff der „Wehrhaftigkeit“ des Grundgesetzes, der aktuell wieder sehr in den Mittelpunkt rückt. Dabei gehe es keineswegs vorrangig um die Möglichkeit, Gruppierungen verbieten zu können. „Die Wehrhaftigkeit zeigt sich vor allem daran, dass ein eigenes Gericht zum Schutz der Verfassung eingerichtet wurde“. Das habe der Weimarer Verfassung gefehlt, weshalb die Demokratie 1933 „sozusagen auf legalem Weg“ durch Beschluss des Reichstages „erledigt“ werden konnte. Ein besonderes Augenmerk richtete Suttner auf den „langweiligen Teil“ des Grundgesetzes. Dort werden die Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern beschrieben: „Der moderne, demokratische Staat muss sich um die Lebensverhältnisse der Menschen kümmern und auch ausgleichende Gerechtigkeit üben“ meinte Suttner und erteilte damit extrem-libertären Philosophien, die sich einen schwachen, sozial und ökologisch untätigen Staat wünschen eine klare Absage. In diesem Zusammenhang erinnerte Suttner an das denkwürdige Urteil zum Klimaschutzgesetz von 2021. Danach muss der Staat nicht nur die Freiheiten der aktuell lebenden Menschen verteidigen, sondern auch die Freiheiten der kommenden Generationen notfalls gegen die Interessen der heutigen schützen. Das sei eine klare Absage an den von vielen libertär eingestellten Kräften gewünschten schwachen und passiven Staat. Seit 1990 ist das Grundgesetz die Verfassung für ganz Deutschland. 1949 sei man davon ausgegangen, dass die Teilung Deutschlands maximal zehn Jahre andauern würde. Die Bezeichnung “Grundgesetz“ sei gewählt worden, um den vorläufigen Charakter zu symbolisieren. Abschließend warf der Referent noch die Frage der sogenannten „Drittwirkung“ auf: Diese gebe es nicht. Das Grundgesetz regele nur die Beziehung zwischen Staat und Bürger, nicht aber zwischen den Bürgern. Sonst würde jeder bei einer Beleidigung gleich nach Art. 1 angeklagt. Es gebe allerdings eine indirekte Wirkung des Grundgesetzes auf das Straf- und Zivilrecht. Auch wenn das Grundgesetz wehrhaft sei, müsse man achtsam sein, dass es die Menschen noch lange begleitet. „Das liegt auch an uns“, so Suttners Apell. Dem Referat schloss sich noch eine umfangreiche Diskussionsrunde an.